Hallo,
ich heiße Nils, bin Forscher und Vater von vier Kindern, liebe Musik, Sprachen, soziales Engagement – und Abenteuer. Deshalb bin ich seit Sommer 2023 freiberuflicher Autor. Und wie es dazu kam, kannst du hier lesen.
#kneipenkind
Aufgewachsen bin ich in Norddeutschland, im beschaulichen Dorfe Mienenbüttel. Zumindest hat Mienenbüttel einen Wikipedia-Eintrag. Meine Eltern hatten wie ich auch vier Kinder. Ganz nebenbei führten sie ein Hotel-Restaurant, das in den 80er-Jahren noch sehr aktiv als Dorfkneipe fungierte.
#barducation
Als Kind war alles um mich herum ziemlich turbulent und wuselig. Die Gaststube war mein Spielzimmer. Im Kinderzimmer wurde Gasthaus gespielt. Und auf dem Parkplatz kickte ich mit meinen Freunden aus dem Dorf oder spielte Völkerball. Aber das machte die Sache gerade aufregend und spannend. Zwischen Korn und Kippe brachte mir zum Beispiel einer unserer Stammgäste Schach bei. Außerdem hatte ich Mama und Papa stets zur Hand, wenn ich sie brauchte. Auch wenn es dann vielleicht gerade viel zu tun gab. Die Zeit nahmen sie sich.
#highschoolnightmare
Nach der Grundschule in Elstorf und der Orientierungsstufe in Neu Wulmstorf ging ich 1991 aufs Gymnasium, wo es ganz gut lief. Das hatte aber leider den Nachteil, dass mich meine Mitschülerinnen und Mitschüler natürlich als Streber abstempelten. Zum Glück war ich als Kneipenkind nicht auf den Mund gefallen. So konnte ich mir mit Frechheit und hyperaktivem Gebaren gegenüber der Lehrerschaft verlässlich etwas street credibility bei den Klassenkameradinnen und -kameraden erkämpfen.
#matchingchemistry
Auf dem Gym fand ich fast alle Fächer ganz geil: Mathe, Englisch, Französisch, Politik, Philosophie, Geschichte, Sport. Aber Chemie bei einem promovierten Quereinsteiger ging mir besonders gut rein. Es war immer wieder ein spezielles Vergnügen für ihn, uns Schülerinnen und Schülern mit der Knallgasprobe eine dolle Freude zu machen. Ich kann jetzt noch vor mich hin lachen, wenn ich daran denke, wie die Coladose in die Luft schnellte und der Lehrer wie ein kleines Kind kicherte. Einfach zum Schießen.
#diydrums
Über einen sehr inspirierenden und lieben Musiklehrer kam ich zum Schlagzeugspielen, brachte es mir aber im Endeffekt selbst bei. Zusammen mit ihm und einem Französischlehrer spielte ich in einer Chanson-AG, in der ich meinen späteren ersten band mate traf. Wir zwei Nachwuchsdudes schnorrten bei den AG-Proben immerzu fein Fluppen von den beiden Lehrkräften. Das steigerte die Attraktivität, bei der AG wirklich aufzutauchen, ungemein. By the way, es machte natürlich Sinn, dass das Knallkopp-Kneipenkind auch noch ein höllisch lautes Instrument spielte. Meine „Übungsstunden“ zu Hause wurden im ganzen Dorf „wahrgenommen“. Unsere Nachbarn – oder zumindest deren Kinder – freute es jedes Mal, wenn ich „übte“. Unsere armen Gäste, die zu meinem Getöse versuchten, unser Essen zu goutieren, wohl eher nicht. Nur am Rande: Meine erste Band versuchte sich in Punkrock.
#firstgenacademic
Das freche Kneipenkind verließ 1998 das Gymnasium als Bester seines Jahrgangs und fing nach einem Jahr des Orientierens, Jobbens und Praktika-Absolvierens an der Technischen Universität Hamburg (TUHH) zu studieren an. Allgemeine Ingenieurwissenschaften sollten es sein, weil ja irgendwie alles ganz geil war. Außerdem fuhr ich mit meinem kleinen Opel Corsa von der WG an der TUHH in nur 20 Minuten zu meinen Eltern. Das war sehr praktisch, denn zu der Zeit arbeitete ich immer noch fleißig als Kellner – seitdem ich junger Teenager war. Das Studium musste ja irgendwie finanziert werden. Ich tat mich an der Uni aber erst einmal ziemlich schwer. Niemand aus meinem Umfeld konnte mir wirklich helfen, weil niemand studiert hatte. Nach drei Semestern hatte ich dennoch den Dreh raus – und schloss 2006 das Masterstudium der Verfahrenstechnik (Chemie meets Maschinenbau) mit „sehr gut“ ab.
#sailaway
Am Ende meines Studiums ging ich allmählich auf meine „Auslandstour“. Ich studierte 2004 ein halbes Jahr in Stockholm an der Königlichen Technischen Hochschule und machte im Anschluss ein Praktikum als Scheißewühler in der Kläranlage des Bezirks Hammarby Sjöstad. 2005 schrieb ich meine Masterthesis in Amsterdam und begann meine Forscherlaufbahn 2006 an der École normale supérieure in Lyon. Danach kam ich nach Hamburg zurück, um meine Doktorarbeit an der TUHH anzufangen. Während der Diss durfte ich für zwei längere Kooperationsaufenthalte an die University of California in Berkeley. Hammer! War! Das! Cool!
#loveofmylife
Meine Frau, damals noch Freundin, besuchte mich beim zweiten Mal in Kalifornien und verlangte prompt, dass ich nach meiner Doktorarbeit eine Anstellung als Postdoktorand im Golden State ergattern sollte. 2010 gesagt, 2012 geheiratet, 2013 getan. Wir lebten knapp zwei Jahre in der Nähe von Santa Barbara und danach dreieinhalb Jahre in der Bay Area bei San Francisco. Ich arbeitete als Forscher an der UC Santa Barbara und später am Lawrence Berkeley National Laboratory. Meine Frau kickstartete ihre Karriere als Onlineredakteurin und berichtete von Stars und Sternchen. Ist ja logisch: Aus Kalifornien schreibt frau eben über celebrities. Was sonst?!
#research
Wen es interessiert: In meiner Forschungsarbeit geht es um Moleküle und Materialien, die mit Supercomputern auf atomarer Ebene nachgeahmt werden. Mithilfe dieser Simulationen der realen Stoffe können wir molekulare Vorgänge besser verstehen und durch das bessere Verständnis im Kleinen auch Prozesse im großen Maßstab optimieren. Wenn Daten überhaupt nicht vorhanden sind, um einen Prozess auszulegen, können die Simulationen auch diese Wissenslücken stopfen. Voll fett eigentlich.
#nerd
Der Job bringt viel Programmieren, Analysieren und Darstellen von Daten, Schreiben von Forschungsartikeln und Präsentieren von Ergebnissen auf Tagungen und Konferenzen mit sich. Hochschullehre und Betreuung von Abschlussarbeiten ist für gewöhnlich auch ein Teil meines akademischen Alltags. In all den Jahren Forschungsarbeit habe ich mir ein Hobby aufgebaut: Ich mache Videos meiner Simulationen. Die Filmchen sollen helfen, die verwendeten Methoden besser greifen zu können, weil es sonst hauptsächlich um Formeln und Gleichungen geht. Na ja, und vielen Menschen fällt das Lernen visuell deutlich leichter als textuell.
#strongertogether
Neben meinem moviemaker-Hobby habe ich über die Jahre eine andere nicht akademische Ader entwickelt. In meiner Zeit in den USA wurde ich in einer Gewerkschaft aktiv. Zunächst waren es die Geschichten von anderen Postdoktorandinnen und Postdoktoranden, die mich angespornt hatten, mitzumachen. Sie mussten Härten aushalten, die nicht nachvollziehbar waren. Deshalb stellte ich mich 2014 als Campusvorsitzender in Santa Barbara zur Wahl und gewann. Wohl auch, weil sonst niemand antrat. In Berkeley saß ich dann mit am Verhandlungstisch, als ein neuer Vertrag zwischen den Postdoktorandinnen und Postdoktoranden und der Uni ausgehandelt werden sollte. Ich bin bis heute superstolz und froh darüber, diesen Schritt gewagt zu haben. Denn die vier Wochen voll bezahlte Elternzeit, die ich später genießen durfte, hatte ich selbst mitherausgefochten. Das war megacool! Und die Leute, die ich durch mein Union-Engagement kennenlernen durfte, waren sehr bereichernd und inspirierend. I still love you, guys!
#thefutureisnow
Kalifornien war schön, heiß und aufregend. Aber jedes Abenteuer geht einmal zu Ende. So auch dieses, und meine Frau und ich kehrten 2018 nach Deutschland zurück. Hier fing aber gleich das nächste Abenteuer für mich an. Meine Frau und ich beschlossen, dass sie arbeiten gehen durfte, während ich unser Kind betreute. In den USA war es umgekehrt. Das heißt, der Vollzeitforscher wurde zum Vollzeitvater. In den folgenden Jahren wurde es in der und durch die Coronapandemie noch abenteuerlicher für uns, weil wir noch mehr Kinder bekamen und buchstäblich kinderreich wurden. 2021 durfte ich aus einem engen Homeoffice arbeiten. 2022 switchten wir wieder. Wir haben es geschafft, nahezu exakte Parität in der Elternzeitlänge herzustellen. Das fühlt sich wunderbar an!
#languagelover
Wie schon geschrieben, finde ich viele Sachen ganz geil. Zum Beispiel Sprachen. Ich liebe Sprachen. Und ich wende sie, so gut ich sie beherrsche, gern an: Deutsch, Englisch, Französisch, Schwedisch, Basic, Java, Fortran, C, C++, Bash, Python. Einfach herrlich. Meine Kinder erziehe ich zweisprachig. Das war für mich anfangs eine ziemlich große Herausforderung. Die Sprache (Schwedisch) habe ich gewählt, weil meine Mama aus Schweden kam und ich mir als Kind in den Osterferien bei mormor und morfar jedes Mal gewünscht hatte, Schwedisch sprechen zu können. Leider hat Mama uns aber nicht zweisprachig aufgezogen, weil es in den 70ern hieß, dass es nicht gut für die Entwicklung der Kinder sei. Was’n Quatsch, weiß man und frau heute sehr genau. Egal, ich musste Schwedisch jedenfalls mühselig durch zwei Volkshochschulkurse und einen Schwedenaufenthalt im Studium erlernen. Es vergingen auch noch circa zehn Jahre zwischen dem letzten Mal, als ich die Sprache regelmäßig gesprochen hatte, und dem Beginn meines zweisprachigen Erziehungsexperiments. Aber das hielt mich nicht davon ab, es zu probieren. Once in a lifetime chance! Ich ging nach der Maxime vor, dass die Kinder und ich zusammen die Sprache (wieder) lernen können. Und ich kann behaupten, dass ich es zumindest ein bisschen geschafft habe. Denn farmor (Oma, also meine Mama) testete die Kleinen hin und wieder, zum Beispiel, indem sie „Bä, bä, vita lamm“ mit ihnen sang.
#freedom
Tja, das sind meine großen Abenteuer im Zeitraffer. Aber: Nach einem Abenteuer ist immer vor dem nächsten Abenteuer. Zurzeit betrifft das eher wieder die berufliche Komponente in meinem Leben. Ich liebe es zwar, furztrockene Forschungsartikel zu verfassen. Einfach mal ungezwungen und frei von der Leber zu schreiben, fixt mich aber auch sehr an. Deshalb und weil ein Freiberufler in einer kinderreichen Familie die ausufernd vielen Kinderkrankentage ohne Druck von oben wegpuffern kann, bin ich seit Juli 2023 als freier Autor unterwegs. Das ist oberfett, kann ich dir sagen. In Zukunft soll Wissenschaftskommunikation Geld in die Familienkasse spülen. Bis dahin nutze ich das Blog hier, um meinen Schreibstil zu finden und dich ein bisschen an meinem Leben teilhaben zu lassen. Außerdem kann ich damit im Heimbüro arbeiten und – wie meine Eltern für mich – für meine Kinder da sein, wenn sie mich brauchen.
Also, happy reading.
Dein NERZ